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Berlin Exchange Medicine

Wissenschaftliches Publizieren neu denken

Festgefahrene Strukturen beim wissenschaftlichen Publizieren aufbrechen – das wollen die Köpfe hinter Berlin Exchange Medicine (BEM), einem Fachjournal von Studierenden für Studierende aller Gesundheits- und Lebenswissenschaften. Aber wie? Drei Vorstandsmitglieder berichten der PZ von ihrem Konzept.
Laura Rudolph
25.04.2022  13:00 Uhr
Wissenschaftliches Publizieren neu denken

»Wir möchten Studierenden aller Gesundheits- und Lebenswissenschaften im deutschsprachigen Raum ermöglichen, niederschwellig in das wissenschaftliche Arbeiten einzusteigen. Bei unserem Journal lernen sie publizieren mit intensiver Betreuung und ohne Druck«, erklärt die Medizinstudentin an der Berliner Charité, Amelya Keles als eines der Vorstandsmitglieder von BEM das Konzept des 2020 gegründeten digitalen Journals. Es ist das erste studentische Journal der Gesundheitsberufe im deutschsprachigen Raum.

Studierende können dort sowohl Bachelor-, Master- oder Doktorarbeiten sowie Haus- oder Projektarbeiten als auch eigens für BEM geschriebene wissenschaftliche Arbeiten zur Publikation einreichen. Das Besondere: Die wissenschaftliche Begutachtung, das sogenannte Peer-Review, läuft öffentlich und transparent und durch Studierende selbst ab.

Das derzeit 30-köpfige Team hinter BEM wolle damit gängige Schwachstellen des herkömmlichen Publizierens adressieren, erklärt Keles. »Wissenschaftliches Publizieren findet für gewöhnlich hinter verschlossenen Türen statt. Gemeinsam wollen wir diese Blackbox öffnen.« Bei BEM beginnt die Transparenz bereits, bevor die Studierenden überhaupt Daten für ihre Arbeit erheben: »Auf Wunsch beurteilen wir vorab den Versuchsaufbau beziehungsweise die Fragestellung. Damit können wir einerseits verhindern, dass hier im Nachhinein Änderungen vorgenommen werden und so die Aussagekraft der Publikation erhöhen«, erklärt ihr Kommilitone und Kollege Dario von Wedel. Andererseits erhielten die Studierenden bereits ein erstes Feedback zu ihrem Forschungsvorhaben.

Transparente Begutachtung

Nach dieser optionalen Prüfung des Exposés reichen die Studierenden ihre fertige Arbeit ein. Passt das abgehandelte Thema zur gesundheitswissenschaftlichen Ausrichtung des Journals, erscheint die Rohversion des Manuskripts offen zugänglich als sogenanntes Preprint. Von Wedel betont: »Wir machen den Prozess des Begutachtens als Open Review für jeden und jede öffentlich zugänglich – das ist keineswegs Standard bei Journalen. Es ist uns aber ein Anliegen, diesen zu etablieren.« Das Dokument kann dabei wirklich jeder kommentieren – ein öffentlicher Versionsverlauf darüber, wer was im Dokument angemerkt hat, garantiert dabei volle Transparenz. Von Wedel findet, dass die Begutachtenden ebenso geschätzt und genannt werden sollten wie die Autorenschaft, denn konstruktives Feedback »trägt zum wissenschaftlichen Fortschritt annähernd genauso viel bei.«

BEM bietet zudem einen dreitägigen »Peer-Review-Crashkurs« an, in dem Studierende lernen, wie man eine wissenschaftliche Arbeit richtig begutachtet. »Der Kurs lebt von einem interaktiven studentischen Miteinander. Wir selbst sind kein Expertenteam, wenngleich wir mittlerweile doch sehr viele Erfahrungen gesammelt und Kontakte geknüpft haben«, erklärt das dritte Vorstandsmitglied Felix Hambitzer, der ebenfalls Medizin an der Charité studiert.

»Die im Kurs erworbenen Fähigkeiten können die Teilnehmenden im Rahmen unseres studentischen Reviews direkt anwenden. Hierin sehen wir großes Potenzial«, führt er weiter aus. Bei den Studierenden scheint der Kurs gefragt zu sein – auf 20 Plätze kamen im vergangenen Wintersemester etwa 150 Bewerbungen.

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